Call for Papers – Tagung (Post-) Kolonialismus im Nordwesten

Beitragsvorschläge bis 23. Juni

9. Mai 2023

Anknüpfend an die in den 1980er Jahren in den angelsächsischen Ländern aufgekommenen postcolonial studies richtet sich seit etwa 2010 verstärkt auch das Augenmerk der deutschen Geschichtswissenschaft auf Deutschlands koloniale Vergangenheit und ihre Auswirkungen in die Gegenwart. Geschichtsmuseen, regionale und ethnologische Museen spielen in der Debatte sowohl aufgrund ihrer Sammlungsbestände wie auch als Orte der Geschichtsvermittlung eine zentrale Rolle. Hinzu kommt, dass es in den letzten fünf Jahren einen wachsenden gesellschaftlichen Diskurs zu Rassismus und der damit verbundenen Wissens-, Norm- und Werteproduktion während des Kolonialismus gab. Dabei wird Kolonialismus nicht als rein politische Kategorie erfasst, sondern in seinen vielfältigen Dimensionen, dessen Wirkung auch heute noch politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Realitäten weltweit prägt. Das Deutsche Marinemuseum in Wilhelmshaven und das Ostfriesische Landesmuseum Emden planen für Ostfriesland, Friesland und Oldenburg eine öffentliche Tagung zu (post-)kolonialen Erinnerungen in der Region, um eine erste Kartierung der Thematik im Nordwesten vorzunehmen.

Die Forschung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass sich Kolonialismus weder als vergangenes historisches Phänomen, noch als konsistente Monoerzählung betrachten lässt. Vielmehr ist gerade unsere globale Weltordnung bis heute zutiefst von Kolonialismen höchst unterschiedlicher Gestalt geprägt, die sowohl im globalen Norden wie im globalen Süden regional sehr unterschiedliche Wirkung entfalten und Spuren hinterlassen haben bzw. rezipiert werden. Auch greift es zu kurz, bei der Betrachtung allein auf die kurze Epoche zu blicken, in welcher Deutschland selbst Kolonialmacht war. Vielmehr waren Deutschland bzw. deutsche Territorien deutlich früher in koloniale Zusammenhänge eingebunden. Auch reichen die Auswirkungen und Verflechtungen weit über das Ende des deutschen Kolonialreiches hinaus. Während mit Studien und Initiativen etwa für Freiburg im Breisgau, Hamburg oder Berlin erste fruchtbare Annäherungen an regionale Kolonialismen in Deutschland vorgelegt wurden, fehlen diese für den Nordwesten nahezu vollständig. Dies nimmt insofern Wunder, als die Region schon aufgrund ihrer Küstenlage eine zentrale Rolle als Deutschlands Tor zur Welt einnahm. Das gilt in besonderem Maße für die am Dollart gelegene Seehafenstadt Emden wie auch die im 19. Jahrhundert als preußischer Marinehafen gegründete Marinestadt Wilhelmshaven. Während die Geschichte Emdens – insbesondere im 17. Jahrhundert, der Hochphase des niederländischen Kolonialismus nach der Erlangung der spanischen Unabhängigkeit – aufs Engste mit der Geschichte seiner niederländischen Nachbarn verbunden war, fällt die Phase von Wilhelmshavens Wachstum mit der Hochzeit des Kolonialismus des Deutschen Reiches zusammen. Im 17. Jahrhundert war Emden außerdem noch durch die Brandenburgisch-Afrikanische Compagnie des „Großen Kurfürst“ in den Versklavungshandel mit dem heutigen Ghana verbunden. Diese Epochen haben auch ihre Spuren in den Sammlungen und Narrationen der in beiden Städten ansässigen Museen hinterlassen. Auch für andere Orte auf der ostfriesischen Halbinsel werden sich bei entsprechender Forschung koloniale Bezüge erkennen lassen.

Die Tagung ist in drei Panels unterteilt:

(Post-)koloniale Repräsentationen in Museen des Nordwesten Deutschlands: Dieses Panel zielt darauf ab, die musealen Konzepte von Identität und Alterität in Ausstellungen in der Region zu hinterfragen. Wie Museen ihre Sammlungen interpretieren offenbart, welche Selbst- und Fremdbilder diesen Interpretationen zu Grunde liegen: Wie sehen wir uns? Wer wird als Teil dieses wir konstruiert und wer nicht. Welche Positionen nehmen Museen im Nordwesten ein und wie werden sie von außen wahrgenommen?

(Post-)koloniale Erinnerungsorte im Nordwesten: Das eng mit den Namen Maurice Halbwachs und Pierre Nora verbundene Konzept der Erinnerungsorte beschreibt Manifestationen kollektiver Erinnerung über den Prozess der kollektiven Kommunikation. Diese machen sich oftmals an geographischen Orten fest, reichen aber häufig auch über diese hinaus und umfassen gleichermaßen Erinnerungen und Begriffe. Das Panel zielt darauf, aufzuspüren, welche Erinnerungsorte im Nordwesten mit dessen kolonialer Geschichte und Rezeption verbunden sind.

Gegenwärtige Wirkmacht kolonialer Ordnungen: Die Tagungsveranstalter:innen halten das Thema Kommunikation für einen wichtigen Bestandteil der Tagung, da Rassismus bzw. rassistische Sprache eine der wirkmächtigsten Dimensionen von Kolonialismus in der Gegenwart ist. Das Panel befasst sich mit den rassistischen Auswirkungen auf Sprache, Gesellschaft, bildende Kunst und Kommunikation im öffentlichen Raum sowie Methoden zu deren Überwindung.

Der Call for Papers richtet sich daher gleichermaßen an Aktivist:innen, Museumsschaffende wie Historiker:innen, welche sich mit Phänomen des (Post)kolonialismus im Nordwesten beschäftigen. Beitragsvorschläge (max. 1 Din A4 Seite, ca. 1500 Zeichen) sowie ein CV der Beitragenden bzw. eine Beschreibung der Initiative, des Vereins etc., erbitten wir bis Termin an die Adresse huck@marinemuseum.de oder jasmin.alley@emden.de. Die Tagungsbeiträge sollen 20 Min. nicht überschreiten, im Anschluss ist eine zeitnahe Veröffentlichung der Ergebnisse geplant, zudem ist eine Kartierung der Erinnerungsorte und Initiativen im Rahmen der Webauftritte von Oldenburgischer Landschaft und Ostfriesischer Landschaft geplant.

Die Tagung wird von der Ostfriesischen Landschaft aus Mitteln der regionalen Kulturförderung und von der Oldenburgischen Landschaft gefördert.

Tagungsort: Ostfriesisches Landesmuseum Emden

Tagungstermin: 12. Oktober 2023, 11.00 h – 13. Oktober 2023, 15.00 h

Sonnabend, 14. Oktober 2023, wird optional eine Exkursion nach Wilhelmshaven angeboten.

Einsendeschluss: 23.6.

Auswahl bis:  30.6.

Veröffentlichung Programm: bis 7.7.

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